Gastro-Check: Salt & Silver
Mein Ziel: Dine around the World, sowohl in den Ländern dieser Welt als auch in den Hamburger Restaurants. Wieso Hamburg? Hier wohne ich. Und in einer Stadt mit 1,8 Millionen Einwohnern hat man ja wohl die besten Möglichkeiten, sich einmal um den Erdball zu schlemmen. Das bringt eine Metropole eben mit sich. Viele Menschen aus vielen Kulturen – das vervielfacht eben auch die Einflüsse. Paradiesische Zustände für mich, denn ich habe hier schon wirklich sehr, sehr viel gegessen. Viel Gutes, manchmal auch Schlechtes. Ich kann die Anzahl der Stühle nicht beziffern, auf denen ich saß, aber es waren eine Menge – weil ich neugierig bin, gerne experimentiere und meinen Horizont immer und immer wieder erweitern will. Soweit der Prolog.
Kommen wir zum Kernteil: dem Salt & Silver. Hier bin ich schon zum zweiten Mal, was zeigt: Schlecht kann’s nicht gewesen sein. Aber ich verrate einfach mal nix. Ihr sollt ja lesen.
Der Tisch ist reserviert für 18 Uhr. Für meine Verhältnisse recht früh, aber es ist ein Sonntag – und mein Magen knurrt, weil seine letzte Mahlzeit sieben Stunden her ist. Das Problem an dieser frühen Reservierung: Man muss um 20 Uhr für die nächste Runde Platz machen. Das ist natürlich alles zu schaffen, aber mit der tickenden Uhr im Nacken ist’s schon latent unentspannt. Wir sind ja nicht beim Marathon-Essen.
Das Restaurant befindet sich mitten in St.Pauli, in der Hafenstraße 140. Man muss vier, fünf Stufen hinuntergehen, um ins kulinarische Lateinamerika zu gelangen. Die Decken und Wände wirken wie eine Art Gewölbe, die einen Kontrast zu den schnörkellosen Tischen und Stühlen bilden. Warmes Licht durchflutet die beiden übersichtlichen Räume: Kerzen stehen auf den Tischen, gläserne Leuchten und mächtige, bienenkorbartige Lampen hängen von der Decke herab.
Der Kellner weist mir und meiner Begleitung einen Platz zu. Wir sitzen. Super. Aber leider etwas zu eng. Der nächste Tisch ist fünf Zentimeter nah und der übernächste grenzt wiederum genauso eng an unseren Nachbarn. Ich überlege: Was tun, wenn ich dringend aufs Örtchen muss? Muss dann die ganze Bank neben mir aufstehen? Oder krieche ich unter dem Tisch durch? Ich verwerfe die Fragen in dem Moment, als die Karten gebracht werden.
Nach einem Blick weiß ich: Aha, die haben ihr Angebot mal wieder leicht modifiziert. Muss ja auch sein, denn die Auswahl ist sehr überschaubar – was aber sehr gut ist. Eine Karte mit 150 Gerichten lässt mir nämlich einen nasskalten Schauer über den Rücken jagen. Denn das kann ja alles unmöglich frisch sein. Ich werde mich für die Ceviche entscheiden, doch vorher muss die Frage geklärt werden: Was trinken wir eigentlich? Die Service-Kraft berät uns: Entweder den Hauswein („Ist ein guter Saufwein“) oder einen anderen Roten („Der ist schön kräftig“). Ich grinse in mich hinein, ja, ist sehr ungezwungen hier.
Und dann kommt die Ceviche. „So schmeckt ein Strandtag in Tulum!“, verspricht die Karte. Hm, kann ich nicht beurteilen, ich war noch nie in Mexiko. Aber ich kenne Ceviche; die aß ich schon im Leche de Tigre (sehr zu empfehlen) und habe sie auch schon zu Hause zubereitet.
Im Schälchen vor mir schwimmt der Adlerfisch in Zitrussäften, Gurke, Koriander, Avocado und Radieschen. Eine Tortilla klemmt dazwischen. Löffel um Löffel gerate ich mehr ins Schwärmen. Ich liebe diese Säure, die Gewürze in der Soße, den zarten Fisch – diese toll aufeinander abgestimmte Gesamtkomposition. Meine Begleitung wählte zwei kleine Tortillas, die beide auch lecker daherkommen. Die eine ist belegt mit Duroc-Schwein, Adobo-Salsa (würzige Marinade, sagt Google) und Hibiskusblüten, die andere mit Shiitake-Marmelade, geräuchertem Cheddarkäse, Avocado und Kerbel. Variante eins ist gut, Variante zwei aber der Gaumen-Hit. Ich hätte gerade von der Pilz-Tortilla nicht so besonders viel erwartet, aber sie ist überraschend gut, vor allem fantastisch abgeschmeckt.
Der Hauptgang ist ein alter Bekannter, in den ich mich bereits im September verliebte: Rinderbäckchen, mit Esquite-Püree, Mezcal-Chili-Butter, Mole, Koriander, eingelegtem jungen Lauch, Cranberries, Chiliasche und schwarzem Chiliöl. Okay, da steht, was ich gegessen habe. Nur: Wie soll ich das jetzt beschreiben? Für manche Dinge hat man einfach keine Worte. Es gehört tatsächlich zu einem der besten Gerichte, die ich je gegessen habe. Das Fleisch zergeht wie lauwarme Butter auf der Zunge. Ich zupfe ein wenig mit der Gabel ab, nehme vom Püree, der Mole … und schließe die Augen. Aber jeder Teller ist irgendwann leer, was mir die Tränen in meine Augen treibt. Ernsthaft! Schon verrückt, wenn man sich wünscht, dass ein Essen eeeewig andauert. Aber wir sind ja nicht im Wunderland, leider.
Nun, was hat eigentlich meine Begleitung auf dem Teller vor sich liegen?! Gebratenen Pulpo, Risotto negro, Huancaina (eine Art Käsesoße), Süßkartoffel und Chorizo Crunch. Geschmacklich ein heißer Konkurrent, aber in meinen Augen – ähm, laut meinem Gaumen – nicht ebenbürtig. Sagen wir: Eine 1 mit Sternchen misst sich hier mit einer 1 Minus. Wieso kein Stern? Wieso überhaupt ein Minus? Ich fand das Risotto ein wenig zu bissfest, meine Begleitung hingegen suuuuuper, genau ihr Ding. Ich liebe leider diese Schlotzigkeit, was ein Risotto für mich braucht – subjektive Wahrnehmung eben.
Und dann gibt’s da noch den Nachtisch: Cheesecake-Eis, Kürbis-Zimt-Créme, Lemon Curd, Schoko-Crumble und Honigkresse. Hier verschwende ich jetzt einfach mal keine vielen Worte: lecker und vollmundig. Genau mein Ding. Und ich bin ja eigentlich nicht so der Nachtisch-Freak.
Fazit: Die Speisen und Drinks sind qualitativ sehr hochwertig, sehr kreativ, aber die Preise sind auch etwas höher als in Standard-Restaurants. Die Portionen sind nicht riesig, aber auch nicht mini. 16 Euro legt man für die Hauptspeise auf den Tisch, aber ich finde: Das Geschmackserlebnis rechtfertigt den Preis. Das Salt & Silver gehört für mich jedenfalls zu den Top 5 der Hamburger Restaurants. Mein Tipp für die beiden Inhaber: Fünf Zentimeter mehr Platz zwischen den Tischen schaffen. Dennoch: Meine wärmste, nein, heißeste Empfehlung!
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