Warum ich nur schwer vegan leben könnte

Warum ich nur schwer vegan leben könnte

Käse ist die Liebe meines Lebens – jetzt ist es raus. Darauf werde ich wohl niemals verzichten können – es sei denn, es wird irgendwann ein Produkt erfunden, das beispielsweise Gruyere oder Ziegenkäse sehr, sehr ähnlich ist.

Käse ist auch der Grund, warum ich niemals vegan leben könnte. Milchproduke sind für mich ein großes Laster. Genau wie Fisch. Garnelen. Sushi. Oder an ein richtig gutes Rinderfilet. Aber Käse…, Käse schlägt eben nichts.

Ich komme ursprünglich vom Land, aus einer Kleinstadt in Niedersachsen – Zeven, mit rund 13.000 Einwohnern, gegenüber unseres Hauses war ein Bauernhof mit Schweinen und Kühen. Mit den Jungs von drüben war ich sehr gut befreundet, wir tobten durch die Wiesen und Wälder.

Meine Familie hielt Enten, Gänse, Hühner, Fasane. Von den Hühnern bekamen wir die Eier, die Gänse bescherten der Familie das Weihnachtsmenü. Gehalten wurden die Tiere frei. Sie schwammen durch die Aue – der Fluss, der direkt an unserem Grundstück vorbeifloss und in dem auch ich im Sommer badete, mit den Gänsen. Sie grasten, bekamen das beste Futter. Die Hühner kamen hoch zu uns auf die Terrasse und ein Enten-Paar schaffte es von dort aus sogar in den Flur, setzte ein Füßchen ganz langsam vor das andere, machten die Hälse ganz lang – war ja alles anders in so einem Haus, dieser komische Teppich. Ganz anders als das Gras, das sie sonst unter sich spürten.

Ja, wie grausam kann man sein, diese Tiere dennoch zu schlachten?

Es waren keine Tiere, die ein kurzes, qualvolles Leben lebten. Und bei Weitem auch nicht alle wurden geschlachtet. Leider hatte mein Vater (auch das ist eben menschlich) seine Lieblingsgans, den ältesten Ganter. Der sprang ihm auf den Schoß, wenn er im Garten auf die Liege lag, begrüßte ihn. Und er wurde verschont, jedes Jahr.

Leider habe ich als Kind gesehen, wie mein Vater das Beil nahm und … Ich erspare euch die Details. Sie waren kurz, aber natürlich für mich als Kind sehr heftig. Es war ein Zufall, dass ich anwesend war.

Es war draußen, am Ende des Grundstücks, wo der Fluss dran vorbeiführte, bitterkalt, aber es lag kein Schnee. Meine Mutter hallte dumpf in meinem Kopf, ich spürte ihre Hand, die sich in meinen Arm grub, und dann war sie auf einmal voll präsent in meinem Ohr: „Was machst du hier?!?! Das sollst du nicht sehen!!!“ Tja, warum eigentlich. Warum sollte ich das nicht sehen? Weil es zu traumatisch sein würde? Ja, dieses Bild blieb im Kopf.

Ich kann Menschen, die vegan leben sehr gut verstehen – dass sie nichts töten wollen, um selbst weiterzuleben zu können. Lebewesen ist Lebewesen. Keines ist besser oder schlechter als das andere. Eigentlich müsste man nebeneinander leben, ohne dass der eine dem anderen wehtut, aber die Natur hält sich nicht daran. Denn für den Fisch sterben auch andere Fische; für die Elster sind es die Küken, die ihre Eischale noch nicht durchbrochen haben. Das geschieht nicht aus Mordlust.

Das nennt man Kreislauf der Natur, was sich nun mal nicht leugnen lässt. Aber der Mensch ist als einzige Kreatur dazu fähig, alles zu reflektieren, was er tut, und auch Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.  Deshalb ist es so wichtig, zu hinterfragen, wo die tiereischen Produkte, die man zu sich nimmt, herkommen: Was esse ich und wie oft? Wo kommt es her? Ist es Bio? Wie haben die Tiere gelebt?

Wenn ich nicht so ein Verlangen nach gewissen Produkten hätte, weil sie eben so guttun, schmecken, und einfach die ganze Nahrungsmittelindustrie über sie laufen würde, würde ich auch vegan leben. Aber gerade Käse und Fisch machen es mir besonders schwer.

Was ich widerlich finde, ist die Art und Weise wie viele Tiere gehalten werden, eingepfercht, viel zu eng zusammen, es sind perverse Menschen, die diese Tiere treten, auf sie urinieren, sie quälen, sich am Leid ergötzen. Ja, so etwas passiert. Leider. Und es ist alltäglich. Deshalb muss es sogar zum Schulprogramm gehören, darüber aufzuklären. Denn Milch kommt nicht aus dem Wasserhahn, Chicken-Wings gehören zu viel zu vielen Hühnern, die auf kleinster Fläche gehalten werden, übereinander laufen, sich ankoten.

Deshalb müssen Billigprodukte abgeschafft werden.

Dann gibt es Fleisch eben nicht mehr für einen Appel und ein Ei, sondern dann ist es kostbares Gut – ja, was es sowieso sein sollte. Auch Naturvölker essen Fleisch, töten, aber es ist keine Massenware; und sie bedanken sich bei dem Tier, das sie verspeisen.

Ich glaube, dass ich vegetarisch oder sagen wir lieber, als Teilzeit-Vegetarierin leben könnte. Genauso würde es sich für mein Kind verhalten – ich würde ein Baby niemals vegan ernähren wollen, da gab es schon etliche Berichte von Mangelernährung. Das wäre mir tatsächlich viel zu gefährlich und das muss das Kind später für sich selbst entscheiden.

Und ich finde, dass eine reduzierte Einnahme von tierischen Produkten immer noch besser ist, als jeden Tag Fleisch zu essen und es die Industrie schon schwächen würde, wenn sich jeder so verhalten würde.



5 thoughts on “Warum ich nur schwer vegan leben könnte”

  • Ich verstehe, dass man ungern auf gewisse Lebensmittel verzichtet. Aber aus eigener Erfahrung kann ich dir versichern, es ist gar nicht so schwer. Natürlich packt mich ab und an die Lust, aber das vergeht auch wieder. Wichtig ist nur, dass man die vegane Küche sehr abwechlungsreich gestaltet. Dass man entdeckt, dass sie seeeehr viel mehr zu bieten hat, als man auf den ersten Blick meinen könnte.
    Ich persönlich wurde es schon toll finden, wenn du z.B. erst mal einen, später vielleicht zwei komplett vegane Tage in deine Woche einplanst. Das wäre schon großartig. Vielleicht gefällt dir die Idee.
    Internetten Gruß
    Barbara – die Kleinstadthippie

    • Ich glaube dir aufs Wort, dass man aus Veganen Produkten viel machen kann. Es ist wie alles Gewohnheit. Ich habe mich eine zeitlang extrem lowcarb ernährt – da fragte mich auch jeder: Wie kannst du nur auf Brot, Reis und Nudeln verzichten – ich wüsste nicht, was ich essen soll. Aber das geht. Das mit dem veganen Tag(en)finde ich super. Man muss ja nicht gleich in die Vollen gehen, sondern sich rantasten. Ich danke dir 🙂

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